Wie viel nackte Haut verträgt das Feministinnen-Image?

Feministin sein, ist in. Beyoncé, Emma Watson und auch Melania Trump bekennen sich offen als Feministin. Angela Merkel ist noch unentschlossen, mag aber vielleicht auch einfach keine Modewörter. Unklar bleibt bei dieser traditionsreichen Bezeichnung jedoch häufig, wofür sie heute eigentlich genau steht. Vielmehr rücken Fragen in den Vordergrund, von denen man glaubte, sie spätestens in den 90ern abgeschüttelt zu haben: Wie sieht sie aus, die überzeugte Feministin? Wie viel nackte Haut und sexy Posen darf sie präsentieren, um noch glaubhaft zu wirken? Eine alte Debatte, die mit dem neuen Wonder Woman-Film Aufwind bekommen hat. 

Sie ist unabhängig und stark, stärker als alle Männer um sie herum. Ihr Idealismus und ihr Wunsch, für den Frieden zu kämpfen, treiben sie von ihrer Heimat fort. Bewaffnet mit dem ‚Lasso der Wahrheit‘ versucht sie, gemeinsam mit dem US-amerikanischen Spion Steve Trevor den ersten Weltkrieg zu beenden.

Die Rede ist selbstverständlich von Wonder Woman, alias Gal Gadot, die seit Juni in einer Neuverfilmung des Comicstoffs auch über die deutschen Kinoleinwände schwebt. Als die Amazonenprinzessin 1941 in der Reihe der All Star Comics debütierte, sorgte vor allem eines für Aufsehen: Die Hauptrolle des Superhelden verkörpert eine Frau. Entworfen vom Ehepaar Marston, die sich bei der Figur von englischen Suffragetten inspirieren ließen, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts für das Wahlrecht von Frauen kämpften. Ziel des feministisch orientierten Ehepaares war es damals, ein positives Leitbild für die Emanzipation von Frauen zu schaffen.

Heute birgt die Neuverfilmung der Geschichte außerdem noch eine weitere Sensation: Auch die Regisseurin des Blockbusters mit Millionenbudget ist diesmal eine Frau, nämlich Patty Jenkins. Das kommt selten vor in der männerdominierten Filmindustrie Hollywoods. Und Jenkins inszeniert Wonder Woman nicht, wie man es von Regisseuren des Superheldenmetiers gewohnt ist. Sie inszeniert sie nicht aus einer männlichen Perspektive, als ein Objekt für den männlichen Blick, was im Film-Fachjargon unter dem Begriff ‚male gaze‘ gefasst wird. Sie inszeniert sie nicht als abgebrühte Nymphomanin, als attraktive Nebendarstellerin oder als Bondgirl, sondern als Subjekt mit eigenen Vorstellungen, Emotionen und Bedürfnissen. Als eine selbstbestimmte Frau.

Doch oh Schreck! Gal Gadot sieht viel zu gut aus, um als Identifikationsfigur und Vorbild für junge Frauen herzuhalten. Und kämpfen tut sie lieber in ihrem knappen Stahl-Badeanzug. Viel zu sexy! Schließlich wurde der Comic-Charakter im letztem Herbst dazu auserkoren, sich als Sonderbotschafterin der UN für Frauenrechte einsetzen. Das löste jedoch bereits zu diesem Zeitpunkt eine derart heftige Sexismus-Debatte aus, dass sie den Posten nach weniger als zwei Monaten wieder abgeben musste. Über das Outfit älterer Sonderbotschafter wie von Winnie Puuh, den Angry Birds oder der Peter-Pan-Fee Glöckchen hatte sich zuvor niemand beklagt. Natürlich bleibt bei diesen Figuren im Allgemeinen fraglich, inwiefern reale Personen wie eine weibliche UN-Generalsekretärin hier nicht besser platziert wären.

Unabhängig von derartigen Personalfragen trifft Wonder Woman einen Nerv in der heutigen  Feminismus-Debatte. Und zwar, indem sie auf der Kinoleinwand die Frage aufwirft, inwiefern weibliche Emanzipation der Objektifizierung von Frauen entgegenwirken kann, ohne ihnen dabei Selbstinszenierung und sexuelle Selbstbestimmung zu verbieten. Eine Frage, die heute nicht nur Wonder Woman tangiert, sondern auch reale Verfechterinnen des Feminismus:

So wird Schauspielerin Emma Watson zwar für ihr Engagement als UN-Sonderbotschafterin und als Mitbegründerin der HeForShe-Kampagne gefeiert, eine Solidaritätskampagne und Tochterorganisation der UN für Frauenrechte und Gleichstellung von Männern und Frauen. Fotoshootings mit viel nackter Haut, wie für die Vanity Fair, muss sie sich nun jedoch genau überlegen, weil damit die Glaubhaftigkeit ihrer feministischen Einstellung angezweifelt wird. In Anbetracht der Oben-ohne-Aktionen von Femen-Aktivistinnen irgendwie eine paradoxe Kritik.

Und auch Kontroversen um die künstlerische Selbstinszenierung, in denen Watson sich gegenüber Beyoncé 2014 selbst verheddert hat, stehen im Raum. So repräsentiert Beyoncé zwar einen modernen Feminismus, der für die kulturelle, ethnische und nationale Diversität von Frauen steht, bietet aber aufgrund ihrer freizügigen Musikvideos Angriffsfläche.

An Absurdität grenzt darüber hinaus auch die Diskussion um die Figur von Lena Dunham, der GIRLS-Regisseurin und Darstellerin sowie Mitbegründerin des feministischen Newsletters LENNY. Nachdem sie lange für ihren Mut gelobt wurde, sich als eine der wenigen Frauen in Hollywood auch ohne Size Zero und Photoshop ablichten zu lassen, diskutiert man seit Monaten nun lieber ihren Gewichtsverlust in sämtlichen Artikeln und Social-Media-Kanälen. Dunham hat sich bereits für gesündere Lebensweise und ihren Gewichtsverlust gerechtfertigt: Sie leide an der Krankheit Endometriose, also kein männlichen Idealen unterworfener Schlankheitswahn! Befremdlich ist allerdings, dass so eine Rechtfertigung überhaupt notwendig ist.

Scheinbar existieren bestimmte Vorgaben dafür, wie sich eine Feministin zu kleiden hat, welche Körpermaße sie haben soll und wie sexy sie sich präsentieren darf. Scheinbar darf man nur mit bestimmter Kleidung ein Held und ein Vorbild sein. Und scheinbar betrifft diese Vorgabe nur Frauen. Wann beschwert sich schon jemand darüber, dass ein männlicher Star an Glaubwürdigkeit verliere, weil er seinen Körper zu sehr in den Fokus rückt? Und auch Badman wirft niemand vor, dass er in seinem muskelbepackten Anzug zu sexy aussieht und deshalb kein Held sein sollte. Kaum verwunderlich, dass Frauen in Anbetracht dieser Umstände sich dann doch lieber nicht Feministin nennen wollen. Was für ein Druck!

Simone de Beauvoir wäre wohl enttäuscht. Wer hätte gedacht, dass die Reduzierung von Frauen auf die Rolle als das ‚andere Geschlecht‘ durch den medialen Fortschritt eine ganz neue Dimension bekommt?

Natürlich ist es eine positive Entwicklung und mitunter Beauvoirs Verdienst, dass man sensibler für Sexismus und die Darstellung von Frauen als passive Sexobjekte ist. Aber das bedeutet schließlich nicht, dass Frauen ihren Körper verstecken müssen, um in ihren Anliegen ernst genommen zu werden. Feminismus soll Frauen ermutigen, selbstbestimmt zu handeln und ihren Körper so zu einzusetzen wie sie es möchten, freizügig oder nicht. Und das auch im realen Leben, nicht nur auf Kinoleinwänden.

 

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