Weihnachten – das Fest der Liebe, Familie oder auch Freude, schlägt Google vor. Dabei fühlt sich Weihnachten nicht für alle danach an. Besonders wenn Konflikte in der Familie bestehen, wandelt sich die Weihnachtsvorfreude schnell in Stress um. Häufig betroffen von der Weihnachtsskepsis: unsere Generation Y. Ein Gedankenspiel.
Es gibt da dieses eine Bild. Schön gerahmt zeigt es eine fröhliche Familie am Weihnachtsabend. Mutter, Vater, drei kleine Kinder und ein Hund stehen eng zusammengekuschelt und strahlen einem lächelnd entgegen. Im Hintergrund befindet sich ein stolzer, bunt geschmückter Tannenbaum unter dem sich die Geschenke türmen und durch das Fenster sieht man dicke Schneeflocken vom Himmel rieseln.
Jedes Jahr, angeregt durch vollkommen verfrühten Lebkuchenverkauf, wird dieses Bild aus einer verstaubten Box gekramt und an die Küchenwand gehängt. Da klebt es dann wie ein Merkzettel für die nächsten Wochen vor Heiligabend und erinnert einen zum Beispiel daran, dass man die restlichen Arbeiten für dieses Jahr noch vor Weihnachten erledigen muss, weil sich das nicht mit der weihnachtlichen Stimmung verträgt. Oder, dass man noch so ziemlich für jeden in der Familie Geschenke braucht. Schließlich soll alles perfekt sein an Heiligabend. So perfekt wie das Bild halt.
Das Problem ist nur, dass Weihnachten meistens nicht so aussieht. Väter sind zum Beispiel manchmal nicht da, weil sie für ein Foto mit einer neuen Familie bereitstehen. Kinder sind auch nicht immer da, weil man selbst keins mehr ist oder noch keine hat. Und manchmal sind zwar alle da, aber man selbst nicht, weil man lieber mit einer Freundin im Café sitzt und über Männer redet. Aber davon mal abgesehen, sehen an Weihnachten auch nicht immer alle glücklich aus. Oft entladen sich ja grade bei den Weihnachtsfesten die Konflikte, die man das ganze Jahr über unter Verschluss gehalten hat. Und schneien tut`s an Weihnachten eigentlich auch fast nie.
Für derartige Zweifel hat man in der Vorweihnachtszeit eigentlich gar keine Zeit, weil man ja im üblichen Weihnachtsstress steckt und die besinnlichen Stunden für die Feiertage reserviert sind. Stattdessen mustert man nur hin und wieder skeptisch das Bild in der Küche und fühlt sich ein bisschen wie der griesgrämige Scrooge aus Dickens Weihnachtsgeschichte.
Eltern bemerken dieses unschlüssige Verhalten natürlich. Während der Feiertage begegnen sie dieser Weihnachtsskepsis dann gerne damit, dass sie einen wieder wie einen 5-jährigen behandeln – die Rollen im Familienbild sind schließlich fest verteilt. Dafür werden eingespielte Monologe wieder ausgekramt, wie „Sei nicht so unordentlich, du verteilst deinen ganzen Kram in der Wohnung“, „könnt ihr euch nicht einmal vertragen?“ oder „bitte iss mit Messer und Gabel!“
Das erübrigt sich, wenn irgendwer der Geschwister schon Kinder hat und diese zum Weihnachtsfest mitbringt. Dann kann endlich wieder ein Weihnachtsmann bestellt und das volle Weihnachtsprogramm abgeliefert werden. Man erkennt den Nachbar von nebenan natürlich sofort unter dem angeklebten Bart und der Weihnachtsmütze, aber man lächelt höflich und gönnt allen den Moment. Die überbordende Freude über den Geschenksack kann man auch nicht ganz teilen, schließlich hat man sich seine Geschenke selbst gekauft, oder einfach einen Briefumschlag mit Geld bekommen. Aber dafür ist man natürlich dankbar. Wenn eins der Kinder dann laut aufheult, weil es nicht das neue I-Phone aus der Werbung bekommen hat, beißt man die Zähne zusammen und lächelt verständnisvoll. Tief im Innern weiß man, dass man in dem Alter noch mit Lego glücklich war und auch nicht das neue I-Phone bekommen hat, obwohl man es besser gebrauchen könnte, aber man ist ja kein Kind mehr.
Dabei ist Weihnachten eigentlich eine schöne Sache. Man bekommt dauernd Plätzchen zu essen, geht auf Weihnachtsmärkte, die vielen schönen Lichter in den Fenstern.
Aber das Konzept Familie, das einem zur Weihnachtszeit verkauft wird, ist schließlich eins, von dem man sich grade zu lösen sucht, um sein eigenes zu entwickeln. Moment mal, denke ich, während ich mit Wollsocken an den Füßen und Weihnachtstee in den Händen in meiner Küche stehe. Ist das jetzt wieder so ein überdramatisches Generation-Y-Denken, das auch mich hin und wieder aufsucht? Als Teil dieser Generation zweifelt man ja bekanntlich besonders gerne daran, wo man im Leben eigentlich hin gehört – So vermutlich auch an Weihnachten. Ich betrachte eindringlich das Bild an der Wand. Natürlich ist das anders, wenn man dann selbst Kinder hat, denke ich. Aber dazwischen? Was soll man dazwischen mit diesem Bild anfangen?
„Häng`s doch ab oder mal dir ein neues“, sagt meine Freundin Karla, die neben mir mit Wollsocken an den Füßen und Weihnachtstee in den Händen in der Küche steht. „Aber..“, setze ich an. Sie unterbricht mich und fügt hinzu: „Wenn du dann irgendwann mal Kinder hast, kannst du das alte ja wieder auspacken.“ „Stimmt“, sage ich zu ihr und grinse. Dann nehme ich einen Stift und ein Blatt, male darauf zwei Strichmädchen unter einen Weihnachtsbaum und hänge es an die Küchenwand. „Wir am 25.“, sage ich erklärend und grinse. „Perfekt“, sagt Karla zu mir. So stehen wir gemeinsam in der Küche, schlürfen unseren Tee und es fühlt sich nach langer Zeit mal wieder richtig nach Weihnachten an.
3 Kommentare
Sehr schön geschrieben! Respekt!
Danke! 🙂
Gefällt mir auch sehr gut der Text und kann mich da auf jeden Fall wiederfinden. Bin auch ein Ypsiloner, also verständlich 🙂