Typisch deutsch – im Land der Schottenröcke

Wenn man ins Ausland reist, erfährt man viel Neues, über andere Kulturen, Sprachen und Menschen. Während meiner Zeit in Schottlands Party-Metropole Glasgow erfahre ich darüber hinaus auch einiges über die Deutschen – weil man manche Klischees halt nie loswird.

An einer der vielen Bushaltestellen in Glasgow stehe ich gemeinsam mit einer Gruppe von Leuten und warte auf den Bus. Das Wetter ist bewölkt, fast ein bisschen neblig. Ein kleiner Junge neben mir streckt seine Hand aus und winkt dem Doppeldeckerbus zu, der sich uns in schnellem Tempo nähert. Das macht man hier so, habe ich nach kurzer Zeit gelernt, sonst fahren sie weiter. Der Bus mit der Aufschrift „Central Station“ fährt zu uns an die Haltestelle heran und wir steigen ein. Ich sage höflich wie alle anderen „Good morning“ zum Busfahrer, denn auch das gehört in Schottland zum guten Ton, genauso, wie das Verabschieden vom Busfahrer. Ich schaffe es grade noch, mich auf den freien Platz neben einer älteren Dame zu schwingen, da brettert der Bus auch schon los.

Auf dem Weg in die Innenstadt hält er ein paarmal an und Leute steigen ein. Die Dame neben mir rümpft die Nase und raunt mir entrüstet etwas zu, das stark nach einem ausländerfeindlichen Kommentar klingt. Glücklicherweise verstehe ich durch den schottischen Akzent nur die Hälfte. Ich antworte ihr höflich, dass sie da in Deutschland nun direkt die AfD wählen könne. Die Dame streicht etwas irritiert ihren Mantel zurecht. „Ah Germany!“ antwortet sie und murmelt etwas von „great economy“ und „hardworking people.“ „But all these refugees…“, die Dame seufzt und schüttelt den Kopf. „I have to go“, entgegne ich ihr und bin froh, den Bus zu verlassen.

Im Zentrum der Stadt herrscht eine weitaus fröhlichere Atmosphäre. In der „Buchanan Street“ tummeln sich die Leute zwischen den Geschäften und Grüppchen von kichernden Mädchen in High Waist Jeans ziehen von einem Laden zum nächsten. Im Kontrast zum Wetter ist die Stimmung blendend. Auch der freizügige Kleidungsstil verrät, dass den Menschen das Wetter hier scheinbar nichts anhaben kann. In einem der vielen Cafés von Glasgow klappe ich meinen Laptop auf und beginne zu tippen.

Der Mann am Nebentisch schielt auf meinen Laptop und fragt höflich: „Excuse me, where are you from?“ „Germany”, antworte ich, scheinbar hat der Text mich verraten. „Germany“, ruft er mit großer Begeisterung und sagt zu seiner Frau gewandt „this lady is from Germany!“ „I love Germany!“, fügt er hinzu. Der Mann ist nicht zu bremsen und fährt mit einer Lobeshymne fort, darüber wie ordentlich und pünktlich die Menschen in Deutschland seien und wie sauber die deutschen Städte sind. Dann möchte er noch wissen, warum ich eigentlich nicht auf dem Oktoberfest bin, dem „main event in Germany.“ Alles, was mir dazu einfällt, ist, dass ich es ganz angenehm finde, der AfD nicht beim Einzug in den Bundestag zuzusehen und nach einem Maß Bier wahrscheinlich schon unterm Bierzelttisch liege. Daraufhin lacht er, Humor hätte er mir als Deutsche vermutlich nicht zugetraut. War eigentlich auch kein Witz, aber egal.

Am Abend frage ich mich auf dem Weg in eine Bar, wie viel von diesem Deutschland-Image eigentlich auf mich zutrifft. Schließlich bin ich weder besonders ordentlich und pünktlich, noch auf dem Oktoberfest, wo sich scheinbar der Rest von Deutschland die Kante gibt. Außerdem trage ich auch keine Funktionsjacke und Socken in Sandalen – die klassischen Modeaccessoires der Deutschen im Urlaub.

Beim Reingehen beschließe ich deshalb, dass ich auf die Frage nach meiner Herkunft ab jetzt nur noch mit Berlin beantworte. Berlin ist nämlich „the best city ever“, wie mir der Typ hinter dem Tresen in der Bar mitteilt. Er stellt den Frauen neben mir zwei Irn-Bru auf die Theke und fährt fort, dass es sein Traum sei, nach Berlin zu reisen und alle seine Freunde schon mal dort gewesen sind. Im Gegensatz zu Deutschland kennzeichnet das Berlin-Image ihm nach, kreativ, inspirierend und aufgeweckt zu sein, eine Oase für Künstler und Partybegeisterte. Dass das nur auf etwa 3 Bezirke von Berlin zutrifft, interessiert im Ausland meistens auch niemanden.

Aber so ist das nun mal mit Klischees. Hundertprozentig stimmen sie ja gewöhnlich nicht mit der Realität überein. So viel Bier wie die Deutschen trinken, gibt es auf dem Oktoberfest nämlich gar nicht.

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2 Kommentare

  1. Hehe, also wenn ich in den Urlaub fahre, dann bemerke ich schon oft, dass Leute aus Deutschland ihrem Image alle Ehre machen 🙂 Meistens sind das aber eher die älteren Generationen. Also irgendwann tragen wir dann auch unsere Funktionsjacken im Urlaub 😉