I bims, vong text her

Das Internet und die deutsche Rechtschreibung – für einige Sprachwissenschaftler ein klarer Fall von Kontradiktion. Denn das Netz ist voll mit den merkwürdigsten Wortkreationen und nun auch noch dieser „Vong“-Sprache, die von der Rechtschreibung meilenweit entfernt ist. Besorgte Eltern und Philologen wittern deshalb schon seit Längerem den Verfall der deutschen Sprache, so vong Grammatik her. Eine berechtigte Sorge?

„I bims vong imfos her“ tippte Lara in ihre Handytastatur ein und schmunzelte. Die 20-Jährige saß an einem der hohen Tische im Café „Milch & Zucker“ in der Oranienstraße in Kreuzberg. Vor sich hatte sie ihren Laptop, einen knittrigen Papierhaufen und einen halb ausgetrunkenen Smoothie drapiert. Zwei Minuten dauerte es, dann summte ihr Handy zurück. Hannah hatte auf ihre Nachricht geantwortet, mit einem Bild, das die Aufschrift „HALLO ICH BIMS HUND, KLINGELSCHREICH LOL“ trug. Darauf war ein Hund abgebildet, dem jemand einen Telefonhörer ans Ohr hielt. Lara kichert und schrieb zurück: „du bims un bleibs 1 lauch, spas. lol.“

So kommunizierten die beiden nun schon seit etwa einer Stunde, hauptsächlich mit Zitaten, Bildern und eigenen Wortkonstruktionen. In einer Sprache, die laut vorgelesen stark an eine Konversation von zwei Leuten im Vollrausch erinnern konnte. Dabei hatte ihre Unterhaltung nichts mit willkürlichem Gelalle zu tun, sondern mit der sogenannten „Vong“-Sprache – ein Sprachphänomen, an dem man in den letzten Monaten im Internet schwer vorbeikommt.

Bekannt wurde sie durch einen 33-jährigen Großhandelskaufmann mit Decknamen Willy Nachdenklich, der sich dabei – jetzt ganz deutlich unterstrichen – vom Rapper Money Boy inspirieren ließ. Auf Nachdenklichs Facebook-Seite „Nachdenkliche Sprüche mit Bilder“ kombinierte er Bilder mit Texten, die voll von Grammatik- und Rechtschreibfehlern waren und nahm damit die vielen fehlergespickten Beiträge und sentimentalen Sprüche in sozialen Netzwerken aufs Korn. Das löste einen Hype aus, der über die letzten Monate anhält und mittlerweile noch durch eine eigene „VONG“-Seite auf Facebook weiter wächst.

Lara öffnete die Facebook-Seite auf ihrem Laptop und scrollte die letzten Beiträge herunter. „Markir 1 Lauch“ stand auf einem der Bilder. Lara musste wieder grinsen. Dann tippte sie genüsslich die Buchstaben H-a-n-n-a-h ein und fügte sie in einen der mittlerweile über 10.000 Kommentare hinzu. Sie war halt ein echter Fan.

Vor ein paar Monaten war sie auf Facebook auf das Sprachphänomen gestoßen und sofort fasziniert gewesen. Ihre Begeisterung über die „Vong“-Sprache war seitdem nicht abgeebbt und sie hatte darüber hinaus Eingang in die Unterhaltungen und Chatverläufen in ihrem Freundeskreis gefunden. Angefangen vom charakteristischen „Halo I bims“ über kreative „vong…her“-Konstruktionen ließ sich jeder gerne wieder neue Sätze in „Vong“-Sprache einfallen.

Doch nicht von allen Seiten sorgt der hartnäckige „Vong“-Trend für Beifall. Besonders Eltern plagt oftmals die Angst, dass ihre Sprösslinge durch die mediale Kommunikation die deutsche Rechtschreibung und Sprache verlernen.

„Völlig unbegründet“ findet Lara derartige Bedenken: „Die „Vong“-Sprache hebt doch vor allem die Fehler in der Rechtschreibung hervor. Und die Begeisterung darüber zeigt doch, dass Menschen diese Fehler deutlich erkennen können, sonst fänd`s ja keiner lustig.“ Auch in ihrem Fall scheint die Sorge über den Verfall der Sprache und Rechtschreibung unbegründet zu sein. Gemeinsam mit Hannah studiert sie Germanistische Linguistik an der Humboldt Universität – Eine differenzierte Auseinandersetzung mit Sprache gehört somit zu ihrem Studienalltag dazu.

Zwar lässt sich bei der Übernahme von beispielsweise „vong…her“- Konstruktionen noch nicht unbedingt ableiten, was so eine Zirkumposition eigentlich ist. Dennoch schärft eine derartige kreative Auseinandersetzung mit Sprache ja auch das Sprachgefühl und den Blick für Fehler.

Darüber hinaus vermag die „Vong“-Sprache nicht nur einiges über Tippfehler im Internet auszusagen: Sie verweist vor allem auch auf Fehler in unserer gesprochenen Sprache, indem sie diese schriftlich abbildet. So werden beispielsweise die Buchstaben „m“ und „n“ bei schneller oder undeutlicher Aussprache schnell vertauscht, dann wird aus einem „kein“ oder „keinem“ gern mal ein „keim.“ „Vong“-Sprache verschriftlicht diese Flüchtigkeitsfehler und erinnert damit ein wenig an eine Art Lautschrift, also ein Schriftsystem, das die Aussprache von Wörtern schriftlich aufzeigt. Nur, dass hierfür keine Sonderzeichen wie im Internationalen Phonetischen Alphabet (IPA) verwendet werden, sondern bloß die des Alphabets, mal abgesehen von der Zahl „1“. Und, dass sie im Gegensatz zum IPA die ganzen Verhaspler, Flüchtigkeitsfehler und Genuschel in die Schreibung von Wörtern mit einbezieht, die nun mal sprachliche Realität sind (auch wenn das IPA das selbstverständlich auch leisten könnte).

Diese Realität kann man nun beklagen oder nicht. In jedem Fall spricht der „Vong“-Hype dafür, dass das Interesse an Sprache nach wie vor groß ist und Menschen sich gerne kreativ darin üben. Auch wenn dabei natürlich die Gefahr besteht, dass das Gegenüber keine Ahnung hat, was man da grade sagen will, vong Inhalt her.

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