Das Internet gilt heute schon fast als ein Grundnahrungsmittel. Für einen Teil der Menschen ist es dagegen nach wie vor „Neuland“. Was bedeutet die Digitalisierung für die älteren Generationen? Für die Rentner, die in der Fußgängerzone auf Bänken sitzen und den hektischen Passanten zuschauen oder am Fenster stehen und schamlos ene rochen, weil ihnen Social Media Goals egal sind. Haben die kein WLAN oder wollen die keins? Eine Beobachtung.
Sonntag war ich in der Kirche. Nicht aus religiösen Gründen sondern aus musikalischen. In einer der vorderen Reihen nahm ich neben drei Kindern Platz, die ganz ordentlich und herausgeputzt neben ihrer Mutter saßen und auf den Konzertbeginn warteten. Ich ließ den Blick durch die Reihen schweifen und stellte fest, dass die drei den Altersdurchschnitt des Publikums um einige Jahre senkten. Selbstbewusst trug man hier den Granny-Look, nur dass sich dafür niemand mehr die Haare färben musste. Die Damen und Herren unterhielten sich angeregt und studierten erwartungsvoll das Programm. Vielleicht war das so wie eine Art Party, stellte ich mir vor. Bei der man schön entspannt nach dem Sonntagskaffee loszog, um seine Freunde zu treffen, anstatt sich dafür um 2 Uhr morgens in die Warteschlange eines Clubs einzureihen und den Sonntag dann depressiv im Bett zu verbringen. Keine schlechte Idee eigentlich.
Die Kinder wurden langsam ungeduldig. Sie fingen an, auf ihren Plätzen zu hibbeln und sich gegenseitig zu ärgern. Als die Mutter der drei aufstand, um nochmal zur Garderobe zu gehen, zogen die Kinder automatisch ihre Smartphones hervor. Selbst der jüngste von ihnen, vielleicht fünf oder sechs Jahre alt, kramte eines aus seinem winzigen Rucksack. Dann waren alle drei ruhig und starrten auf ihre Handys. „Geil!“, rief der älteste, „hier gibt’s Internet!“ Die anderen zwei jubelten und er zeigte den beiden stolz, wie sie sich ins WLAN einloggen konnten.
Eine ältere Dame in der Bank hinter uns wandte sich zu ihrer Nachbarin und raunte ihr zu: „Typisch! Die Jungend von heute hängt mit dem Kopf wieder nur vorm Handy. Nischt interessiert die mehr.“ Ihre Nachbarin nickte ernst und fügte hinzu: „Ja die können gar nicht mehr anders.“
Typische Unterhaltung von zwei älteren Damen, dachte ich unvermittelt. Fragte mich dann aber doch, ob ich nach 60 Jahren Lebenserfahrung ohne Smartphone nicht auch irgendwie verwirrt wäre in der heutigen Zeit, in der jegliche Kommunikation oder Planung am Handy abläuft. Vor ungefähr 15 Jahren, da las man Zeitung in der U-Bahn oder unterhielt sich oder starrte irgendwas an, das nicht flimmerte. Man konnte tatsächlich noch Festnetznummern von Freunden auswendig, was heute fast einer Liebeserklärung gleicht. Damals war sicher nicht alles besser, aber zumindest musste man sich nicht andauernd Gedanken machen, wie man sein Leben entschleunigt und eine gute Work-Life-Balance hinbekommt.
Die Kinder tippten begeistert weiter auf ihren Handys herum. Das Mädchen lachte laut auf und hielt ihren beiden Brüdern aufgeregt ihr Handy unter die Nase. Alle kicherten. Daraufhin beugte sich die ältere Dame zu ihnen nach vorne und sagte: „Also Kinder, das kann man hier doch auch mal offline liken.“ Die Kinder blickten von ihren Handys auf und schauten die Dame völlig entgeistert an. „Seht ihr“, fuhr sie fort und zog ein Handy aus ihrer Tasche, „ich schalte meins immer in den Flugmodus, wenn ich mal so richtig dabei sein will.“
Dann lehnte sie sich genüsslich wieder zurück und schmunzelte. Eine Omi, die den Flugmodus bedienen kann und von Liken spricht, hatten die drei scheinbar auch noch nicht gesehen. Auch die Realität war halt noch für Überraschungen gut.